


400 Jahre altes Handwerk wird lebendig in der Werkstatt
von Bärbel Bellinghausen – Geigenbaumeisterin mit Leib und Seele.
Bericht: AK Honies
Am Mittwoch, 5. Juni 2024, besuchte eine kleine Gruppe von Streicher-schülerinnen der JSBM Währing die Geigenbauwerkstatt von Bärbel Bellinghausen
www.bellinghausen.at
Dort lernten wir eine Menge über den Geigenbau: Die Ausbildung erfolgt in Geigenbauschulen in Mittenwald (D) oder Hallstatt (Ö) oder in der berühmten italienischen Stadt Cremona, wo sich alles um den Bau dieser klangschönen Instrumente dreht.
Mit 400 g wiegt eine Violine nur so viel wie 4 Tafeln Schokolade und erfüllt doch mit ihrem Klang große Konzertsäle. Nur der Singvogel erzielt – trotz kleinerer Größe und Gewicht (30 g) – eine noch größere Reichweite mit seiner Melodie.
Vom Baumstamm bis zur Bühne begleitet Bärbel Bellinghausen den Werdegang einer Violine, Viola oder eines Violoncellos. Wenn die Geigenbauerin beginnt, ein neues Instrument zu bauen, steht sie zunächst vor der Modellfrage. So kann sie entweder ältere Modelle – etwa von Stradivari, Amati und Guarneri – kopieren oder in Anlehnung an diese neue Instrumente entwickeln. Es gibt Baupläne, die sich bereits seit 400 Jahren nicht mehr geändert haben und sich in der Praxis bis dato als beste Grundlage bewiesen haben. Die Decke der Instrumente wird aus dem Holz der Fichte hergestellt, der sonstige Korpus aus Ahorn gefertigt. Griffbrett, Wirbel und Saitenhalter werden aus Ebenholz hergestellt.
Im Gegensatz zu Decke und Boden werden die Zargen, die zusammen mit den vier Eckklötzen sowie dem Ober- und Unterklotz den Zargenkranz bilden, zunächst als plane Streifen auf die richtige Stärke gehobelt. Danach erfolgt mit Dampf und Druck auf einem speziell dafür geformten Biegeeisen ihre Biegung in die richtige Form. Die Klötze, an denen die Zargen festgeleimt sind, dienen als Gerüst. In den Oberklotz wird später der Hals eingelassen und geleimt.
Dann sondiert Bärbel das radial aus dem Baumstamm geschnittene Holz und sucht sich ein, nein zwei geeignete Stücke aus. Diese beiden bilden dann zusammengeleimt Boden oder Decke eines neuen Instruments. In reiner Handarbeit wird nun mit dem Stemmeisen das Holzstück bearbeitet.
Erst nach etwa zwei Tagen Arbeit bildet sich die dünne Wölbung des Instruments heraus – ständig kontrolliert mit den Fingerspitzen oder der dem Messgerät, ob die gewünschte Stärke von 2,4-3,5 mm erreicht ist.
Nun wird glatt gehobelt, denn die Verwendung von Schleifpapier ist nicht gestattet: der feine Schleifstaub würde nachher ein Strahlen des Lacks verhindern und das Instrument stumpf und matt aussehen lassen.
Auf den Boden werden nun die Zargenteile aufgeschachtelt, und nach Einschneiden der F-Löcher, Einfügen der dreilagigen Intarsie rundum am Rand der Decke und Einleimen des Bassbalkens in die Decke wird diese auf die Zargen geleimt. Der Korpus ist fertig. Bevor die Box jedoch geschlossen wird, versteckt Frau Bellinghausen in jedem ihrer Streich-instrumente noch eine Nachricht an die Nachwelt – im Falle des werdenden Cellos ein Bild von einem Gorilla – geklebt in eine Ecke, die nur durch Wiederöffnen des Instruments einsehbar ist.
Bevor der Hals nun in den Korpus eingepasst werden kann, wird eine Schnecke geschnitzt. Dann wird die Geige lackiert – mit eigens hergestelltem Lack aus Leinöl und Baumharz. Nach dem Aufleimen des Griffbrettes wird die Arbeit vollendet: Die Wirbel werden eingepasst, das Instrument wird poliert, der Steg aufgeschnitten, der Stimmstock gesetzt und schließlich die Saiten aufgezogen.
Ein neues Instrument ist geboren: in 3-monatiger reiner Handarbeit entstanden, kann es nun viele Jahrzehnte lang gespielt werden und uns mit seinem Klang verzaubern.
Vielen Dank, liebe Bärbel, für diese detailreichen Einblicke in Deinen spannenden Beruf!